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Durch die Zeit

von Ava Michahelles

Ponka, eine Frau, hatte eine Tochter. Sie hieß Limmi. Limmi hatte eine Begabung. Sie konnte durch die Zeit reisen, aber sie durfte nur in die Vergangenheit reisen und nicht in die Zukunft. Doch irgendwann wurde ihr langweilig und sie reiste heimlich in die Zukunft. Als sie in der Zukunft angekommen war, staunte sie. Es gab überall Glashäuser und fliegende Autos. „Toll“, sagte sie nur. Mehr konnte sie nämlich nicht sagen, denn da packte sie eine Hand von hinten und eine heisere Stimme krächzte: „Du darfst das nicht tun. Du schwebst in großer Gefahr.“ Limmi drehte sich um und blickte einer Frau in die Augen. Die Frau war ungefähr 40 Jahre alt und ganz blass. An irgendjemanden erinnerte sie Limmi. „Wer…wer sind Sie?“, stammelte Limmi. „Ich bin du“, sagte die Frau. Nun fiel es Limmi wie Schuppen von den Augen. Na klar, sie sah sich selbst in der Frau wieder, eben nur ein paar Jahre älter.

„Wieso schwebe ich in Gefahr?“, fragte Limmi mit aufgeregter Stimme. „Das ist eine längere Geschichte. Ich erzähle sie dir bei mir…bei uns zu Hause.“ Die Frau klatschte einmal laut in die Hände und sofort kam ein kleines Auto angeflogen. „Komm steig ein“, sagte die Frau. Und das tat Limmi. Als sie in der Luft waren, machte die Frau das Radio an. Es war seltsame Musik. Sie klang irgendwie schrill. Auf ihrem Flug kamen sie an anderen Autos vorbei. Und unter ihnen befand sich eine riesige Glasstadt. Limmi staunte. Nach einer Viertelstunde landeten sie vor einem kleinen Haus. Es sah aus wie Limmis eigenes Haus. Der einzige Unterschied war, dass es aus Glas war. Als sie das Haus betraten, stieg Limmi ein stechender Geruch in die Nase. Es roch wie gerade frisch geputzt. „Komm“, sagte die Frau. „Wir gehen ins Wohnlichkeitszimmer.“ „Was ist denn ein Wohnlichkeitszimmer?“, fragte Limmi. „Das ist das Wohnzimmer“, antwortete die Frau. „Aha“, sagte Limmi. „Ich mache uns mal einen „Pfollein.“ „Und was ist das schon wieder?“, fragte Limmi. „Na eine Mischung aus Schnee, Honig und Früchten“, sagte die Frau. „Mhh, das klingt ja lecker“, sagte Limmi.

„Okay, dann mache ich uns mal einen“, meinte die Frau.

Nach 5 Minuten war der Pfollein fertig. „Hier bitte dein Glas“, sagte die Frau. Limmi nahm es dankbar entgegen. Doch das Getränk war blutrot. Limmi stellte sich vor, dass es pures Blut sei. Sie schauderte bei dem Gedanken. „Na, willst du dein Pfollein nicht probieren?“ „Doch, doch“, sagte Limmi und nippte an dem kalten Getränk. Oh Das schmeckt ja gar nicht wie Blut, dachte sie bei sich. „Schmeckt richtig lecker“, meinte Limmi. „Das ist schön“, sagte die große Limmi, „Aber am besten fange ich jetzt an zu erzählen.“

Und dann fing sie an zu erzählen. „Ich, also du, bist heimlich in die Zukunft gereist. Und da bist du halt plötzlich nicht mehr fortgekommen. Ich habe alles versucht“, sie sackte zusammen. „Ich wollte nicht, dass du denselben Fehler machst wie ich. Aber ich habe einen Plan, wie wir beide wieder in unsere Zeiten kommen.“ Limmi hatte Tränen in den Augen.

„Aha, und welchen?“, fragte sie. „Ich dachte, vielleicht funktioniert es, wenn wir uns beide ganz fest an den Händen halten und uns wieder zurück in unsere Zeit wünschen.“ „Das ist eine gute Idee“, sagte Limmi. „Wollen wir es gleich ausprobieren?“ „Nein, jetzt ist es zu spät!“, meinte die Frau. „Am besten gehen wir jetzt schlafen.“ „Aber Mama macht sich doch bestimmt Sorgen um mich“, sagte Limmi. „Es ist doch nur eine Nacht. Das wird schon gehen“, meinte die große Limmi. „Na gut“, willigte Limmi zerknirscht ein. „Aber nur eine Nacht!“. „Mal schauen“, sagte die Frau und seufzte. „Ich zeige dir auf jeden Fall erst einmal dein Zimmer“ „Mein Zimmer?“, fragte Limmi erstaunt. „Ja genau“, sagte die Frau. „Ich habe dich ja erwartet und dir ein Zimmer eingerichtet. „Aha“, sagte Limmi in traurigem Tonfall. Sie wollte ja eigentlich gar nicht in dem Zimmer schlafen, sie wollte zurück nach Hause und dort schlafen. „Komm mit“, sagte die große Limmi. Sie gingen eine lange Wendeltreppe hinauf. Sie bestand nur aus Glas. Limmi hatte bei jedem Schritt Angst, dass die Treppe in tausend Teile zerspringen könnte. Als sie oben ankamen, zeigte die Frau auf eine Tür. Die Tür war aus blauem Glas und sah sehr schön aus, fand Limmi. Die Frau öffnete die Tür. Sie betraten einen großen Raum. Darin stand ein Regal mit vielen bunten Büchern. Daneben war ein Fenster mit blauen Gardinen. Am Fenster stand ein Bett und neben dem Bett ein Kasten. „Was ist das für ein Kasten?“, fragte Limmi. „Das ist ein Anschrank“, antwortete die große Limmi. „Da stellst du dich rein und dann trägst du die perfekten Klamotten, die du brauchst.“ „Wie cool!“, meinte Limmi. Sie probierte es gleich aus und als sie aus dem Kasten herauskam, trug sie ihren Schlafanzug. „Das ist ja genial“, sagte Limmi und sprang in die Luft. „Ja, ich finde es auch jedes Mal wieder toll. Aber wir müssen jetzt ins Bett. Wir müssen uns für morgen ausruhen“, sagte die große Limmi. „Okay“, sagte Limmi. Sie legte sich ins Bett. „Gute Nacht!“ „Gute Nacht“, erwiderte die große Limmi. Dann schloss Limmi die Augen und schlief ein.

Am nächsten Morgen war die erwachsene Limmi schon um 5 Uhr wach und machte Frühstück. Dann ging sie zu Limmis Bett. Limmi schlief noch. Sie träumte von Zauberern, verschiedenen Zeitformen und blutroten Getränken. „Guten Morgen“, rief die große Limmi. Sie setzte sich neben sie aufs Bett. In den Händen hielt sie ein großes Tablett mit Pfollein, also dem blutroten Saft, und einem Stück Kuchen, das aussah wie Knetmasse. Limmi öffnete die Augen. „Guten Morgen“, sagte sie und gähnte.

Nachdem die Limmis gegessen hatten, sich angezogen und Zähne geputzt hatten, gingen sie hinunter ins Wohnlichkeitszimmer. „Bist du bereit?“, fragte die erwachsene Limmi.

„Das bin ich“, antwortete Limmi. „Okay, dann auf drei“, sagte die erwachsene Limmi.

„Eins, zwei, drei“, sagten beide gleichzeitig. Dann gab es einen Knall, einen grellen Blitz und einen Wusch. Danach war alles ganz still. Limmi machte die Augen auf. Sie war im Wohnzimmer. Aber in ihrem eigenen. Sie freute sich und schrie laut auf. Daraufhin stürmte ihre Mutter ins Zimmer und sie fielen sich beide um den Hals. „Wo warst du denn?“, fragte Ponka ihre Limmi. „Das ist eine lange Geschichte, Mama. Ich erzähle sie dir gleich“, sagte Limmi glücklich.

Die erwachsene Limmi war auch zu Hause angekommen. Und genau wie bei der kleinen Limmi, fielen sich die große Limmi und ihre Mutter um den Hals.

Zu Hause bei der kleinen Limmi wurde gefeiert, dass Limmi nicht wie die große Limmi viele Jahre in der Zukunft sein musste, sondern nur eine Nacht.