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Die himmlische Melodie

von Elisa Ostländer, Ida Korzonnek, Ava Michahellis, Merle Lachmann und Hannah Horn

Es war eine dunkle, stürmische Nacht. Der Regen prasselte gegen die Fensterscheiben und der Wind pfiff durch die Bäume vor dem Haus, in dem Laura und Anna wohnten.

Keines der beiden Mädchen konnte schlafen. Anna lag im Bett neben Laura und starrte die Decke an. Es war schon nach Mitternacht und morgen mussten die Mädchen wieder in die Schule. Plötzlich wurde es ganz still! Das erschrak sie so sehr, dass sie sich nicht mehr bewegen konnten. Da hörten sie eine leise, hallende, geheimnisvolle Stimme. Erschrocken schrie Anna auf, als die Stimme die Namen der beiden Mädchen nannte. Die Stimme schien ganz nah bei ihnen zu sein, aber die Mädchen konnten niemanden in der Dunkelheit sehen.

Laura rieb sich die Augen und erblickte eine weiße Gestalt. Sie stand am Fenster und war in einen feinen Nebelschleier gehüllt. Plötzlich zischte es und die Gestalt stand direkt vor ihrem Bett. Anna pickte Laura mit dem Finger in die Seite.

„Ich habe Angst“, flüsterte sie.

Laura wollte ihrer jüngeren Schwester gerne versichern, dass alles gut werden würde, aber Laura war sich darüber selber nicht sicher. Als die Gestalt die Hände der beiden Mädchen ergriff, blitzte ein grelles Licht auf. Sie flogen zusammen mit der Gestalt in einem atemberaubenden Tempo durch einen weißen Tunnel, der sie in eine andere Welt brachte. Mit einem lauten Knall landeten sie zusammen mit der Gestalt auf einem blauen Boden, der so weich wie ein Plüschteppich war.

Stöhnend rappelten sie sich auf. Der Flug hatte ihnen zugesetzt. Ihre Schädel taten weh.

„Was…was ist passiert?“, wollte Laura wissen. „Wo sind wir?“

„Mein Name ist Misterio“, krächzte die Gestalt. „Ich bin ein Zauber.“

„Ihr befindet euch in meinem Reich Fantastia und der Grund, warum ich euch hierher gebracht habe, ist, dass ich eure Hilfe benötigte.“

Die Mädchen sahen ihn fragend an und blickten um sich.

Vor ihnen erstreckte sich ein Wald. Aber es war kein gewöhnlicher. Er sah grau und leblos aus und kein Tier, kein Rauschen des Windes in den Ästen der Bäume war zu hören.

„Moooment“, sagte Laura misstrauisch. „Woher sollen wir wissen, dass wir Ihnen trauen können?“

Misterio erwiderte: „Ihr müsst mir einfach vertrauen. Wenn nicht wird meine Welt für immer verloren sein.“

Laura runzelte die Stirn: „Wieso geht denn Ihre Welt für immer verloren und wie können wir das verhindern?“

Misterio antwortete: „Über meine Welt ist großes Unheil hereingebrochen und um dies zu beseitigen, muss ein Rätsel gelöst werden, dass nur von einem Menschen entschlüsselt werden kann.“

Die Mädchen waren noch immer misstrauisch, aber sie folgten dem Zauberer, der sich, während er mit ihnen sprach, auf den Weg zu einer kleinen Hütte gemacht hatte. Als die Mädchen in die Hütte eintraten, mussten sie husten, denn das Innere war von unglaublichen Staubschichten übersäht. Misterio zog ein Buch aus einem der vielen Bücherstapel, die sich auf dem Boden und auf dem Tisch verteilten und fing an, hastig in dem alten Buch zu blättern.

Als er die Seite gefunden hatte, nach der er gesucht hatte, las er laut vor, was dort geschrieben stand: „Die Menschen müssen eine Melodie komponieren, die die Vögel in Fantastia wieder zum Singen bringt, die Sonne wieder scheinen, das Wasser wieder glänzen und den Wind wieder durch die Bäume streifen lässt.“

Misterio verharrte mit seinen Augen noch einen Moment auf den Text, den er vorgelesen hatte, dann klappte er das Buch ruckartig zu und wirbelte damit weiteren Staub auf.

Die Schwestern sahen sich fragend an. „Das wird schwierig“, sagte Anna. „ Ja, das stimmt“, betonte Laura. „Aber“, rief sie erfreut, „ich habe eine Idee!“

Suchend blickte Laura sich nach einem Blatt Papier um, um die Melodie, die sich in ihrem Kopf geformt hatte, notieren zu können. Auf dem Tisch erblickte sie einen Stapel Blätter, daneben lag eine Geige. Laura hatte eine Zeit lang Geige gespielt. Anna hatte eine sehr schöne Stimme und hatte deshalb immer gern gesungen. Die beiden Mädchen sahen sich an, nickten sich zu und Laura begann, die Melodie, die ihr vorschwebte, zu spielen. Es war eine leichte, heitere Melodie und Anna summte mit. Wie Blütenblätter die der Wind durch die Luft wirbelt, segelten die Klänge durch die Fenster ins Freie. Doch es passierte nichts. Der Zauberer war enttäuscht.

„Jetzt habe ich eine Idee“, rief Anna. Sie richtete sich auf und begann zu singen. Wieder passierte nichts. Der Zauberer sah verzweifelt zu Boden. Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf: „Vielleicht müsst ihr ja gemeinsam musizieren.“

Zustimmend nickten die Mädchen und begannen, gemeinsam zu spielen und zu singen. Es war eine verspielte, warme Melodie, die dem Zauberer ein Lächeln auf das Gesicht zauberte. Es war eine himmlische Melodie. Jeder hätte lieber diese Melodie gehört, als ewigen Reichtum zu haben. Je länger das Lied spielte, desto mehr taute das Land des Zauberers wieder auf. Doch Anna und Laura fühlten sich von Strophe zu Strophe immer schwächer.

Denn was der Zauberer ihnen nicht verraten hatte, war, dass sie ihre Lebenskraft verlieren würden, wenn sie das Rätsel lösten.

Laura fiel das Atmen schwer und Anna konnte sich kaum noch auf den Beinen halten.

„Wir…müssen…hier…weg!“, keuchte Anna. Laura stützte sie. So schnell es ging, stürzten sie aus der Hütte. Alles war fröhlicher und bunter in Fantastia als vorher, doch dafür hatten die Mädchen jetzt keine Zeit. Misterio war ihnen gefolgt und hatte sie fast eingeholt. Da kamen Vögel in dichten Schwärmen geflogen und umflatterten die Mädchen. Sie hoben die beiden hoch in die Lüfte und halfen ihnen bei der Flucht. Schließlich hatten die Mädchen sie befreit und die Vögel konnten endlich wieder singen.

„Wir helfen euch, aus Misterios Reich zu entkommen“, zwitscherte ein Vogel. „Wir bringen euch zu einem der Übergänge in eure Welt.“

Es war ein goldenes Tor hinter Misterios Schloss, durch das die Mädchen gehen mussten, um zurück in ihre Heimat zu finden. Die Vögel setzen sie direkt davor ab. Das glänzende Tor zog Laura und Anna sofort an. Sie liefen darauf zu und gerieten plötzlich in einen Wirbelsturm, der sie in einer atemberaubenden Geschwindigkeit direkt nachhause brachte. Dort fielen die Mädchen sofort in ihr Bett. Als sie am nächsten Morgen aufwachten, kam ihnen ihr Erlebnis wie ein Traum vor.